Lärmschutz hat oberste Priorität
Erstelldatum05.03.2024
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, manche Projekte benötigen Zeit, viel Zeit sogar. Dazu gehört auch die geplante ICE-Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim, die möglicherweise irgendwann innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre Form annehmen könnte. Einen exakten Zeitplan aufzustellen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.
Was dagegen fest steht: Gestern tagte in Gernsheim zu dem Thema bereits zum 18. Mal das sogenannte Beteiligungsforum „NBS Frankfurt-Mannheim“, in dem von den Planungen betroffene Interessenvertreter/innen wie Bundestags- und Landtagsabgeordnete, kommunal Abgeordnete, aber auch Fahrgast- und Umweltverbände oder Bürgerinitiativen ihre Sicht der Dinge auf den Streckenneubau vertreten.
Dabei hatte die Deutsche Bahn gestern neue Lärmemissions-Berechnungen im Gepäck, über die wir taggleich bereits informiert wurden. Aus Respekt vor dem Beteiligungsforum haben wir zunächst den Verlauf der Sitzung abgewartet, möchten den neuen Sachstand heute Morgen aber natürlich direkt an Sie weitergeben.
Die Ausgangslage
Betroffen ist bei diesem gesamten Themenkomplex selbstredend nicht nur die Gemeinde Alsbach-Hähnlein – und gerade im Kreis Bergstraße ist die Erleichterung groß, dass ein Groß-Teil der Strecke in diesem Bereich über einen bergmännischen Tunnel realisiert wird.
Aber natürlich schauen wir für den Streckenschnitt auf „unserer Höhe“ genauer hin, auch wenn die Trassenführung der Neubaustrecke parallel zur A 67 auf Gernsheimer Gemarkung geplant ist.
Im Kern geht es uns darum, inwieweit der Ortsteil Hähnlein durch den Bau einer Lärmschutzwand vor zusätzlicher Belastung durch die auf der Neubaustrecke fahrenden Züge geschützt wird. Dazu hatten wir bereits vor mehr als zwei Jahren Gespräche mit der Deutschen Bahn geführt, in denen wir als Gemeinde und die in ihr agierende Politik klar die Forderung gestellt haben, dass wir Lärmschutz fordern, der über das gesetzlich erforderliche Maß hinaus geht.
Im Detail wurde damals besprochen, dass die Bahn in ihre Planung aufnehmen soll, statt einer knapp drei Kilometer langen Lärmschutzwand mit vier beziehungsweise sechs Metern Höhe eine 4,5 Kilometer lange Variante mit einer durchgehenden Höhe von sechs Metern zu realisieren. Im Gegenzug für diese „freiwillige Leistung“ hatten wir angekündigt, das Projekt positiv zu begleiten und der Bahn (ebenfalls freiwillig) Möglichkeiten aufzuzeigen, Ausgleichsmaßnahmen für gefällte Bäume möglichst ortsbezogen in Alsbach-Hähnlein realisieren zu können.
Was hat sich jetzt geändert?
Jetzt die Nachricht von Markus Dengler, dem zuständigen Abschnittsleiter der Deutschen Bahn im Bereich von Alsbach-Hähnlein: Die Bahn hat mittels eines Gutachters noch einmal Wohneinheiten-genau die Auswirkungen der Neubaustrecke in Sachen Lärm auf alle Wohn-Objekte errechnet und kommt erneut zu dem in der Vergangenheit bereits prognostizierten Ergebnis, dass die gesetzlichen Lärmhöchstgrenzen (insbesondere 49 db(A) in der Nacht) eingehalten werden. Dazu sollen unter anderem sogenannte Absorber beitragen, die zwischen den Gleisen verlegt einen Teil der Laufgeräusche durch die Räder der Züge aufnehmen sollen.
Neu in der Berechnung ist jedoch die Erkenntnis, dass insbesondere der nordwestliche Bereich von Hähnlein künftig von mehr Lärm betroffen wäre als ohne die Neubaustrecke. Dies ist das Ergebnis einer sogenannten Pegeldifferenzkarte, in der es nicht um eine absolute Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger geht, sondern die Veränderung gegenüber dem Status Quo.
Wir reden hier zwar von auf den ersten Blick lediglich 4 Dezibel Mehrbelastung. Wir sagen aber ganz klar: Wer mehr Lärm verursacht, muss aus unserer Sicht auch dafür sorgen, die zusätzliche Last durch geeignete Gegenmaßnahmen auszugleichen. Gerade deswegen hatten wir vor zwei Jahren bereits die oben erwähnten Gespräche geführt und klare Forderungen gestellt, an denen wir weiter festhalten werden.
Die Deutsche Bahn zieht sich jetzt jedoch auf die Position zurück, dass lediglich Lärmschutz-Maßnahmen umgesetzt werden könnten, die im weiteren Verlauf des Verfahrens (möglicherweise im Herbst) durch den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages freigegeben werden.
Da Markus Dengler gleichzeitig erklärt hat, dass die Deutsche Bahn nicht freiwillig einen Lärmschutz aus eigener Kasse finanzieren könne, steht zu befürchten, dass auf bundespolitischer Ebene – unabhängig von allen Vorgesprächen – lediglich das gesetzlich Notwendige angegangen wird. Das bedeutet im schlimmsten Fall, dass wir gar keine Lärmschutzwand an der Neubaustrecke bekommen würden.
Abhängig von Höhe und Länge der Lärmschutz-Wand geht es dabei um eine Investition von etwa fünf Millionen Euro. Aber ich sage ganz klar: Das Schutzbedürfnis der Hähnleinerinnen und Hähnleiner hat oberste Priorität.
Wie geht es weiter?
Dass wir von unseren Forderungen nach einem übergesetzlichen Lärmschutz nicht abrücken, haben wir gestern im Gespräch Herrn Dengler von der Deutschen Bahn direkt mitgeteilt. Auch schriftlich werden wir diese Forderung noch einmal bekräftigen.
Gleichzeitig werde ich mich dafür einsetzen, dass die Politik eine fraktionsübergreifende (und gegebenenfalls sogar interkommunale) Resolution verabschiedet, in der wir auf die mit der Bahn in der Vergangenheit geführten Gespräche Bezug nehmen. Zwar ist uns klar, dass diese Gespräche zu diesem frühen Zeitpunkt keine rechtliche Verbindlichkeit haben konnten. Wir gehen aber davon aus, dass alle Beteiligten nach wie vor an einem Konsens orientiert sind. Denn dieser sieht ja auf beiden Seiten ein „Geben“ und „Nehmen“ vor: Lärmschutz für unsere Bürgerinnen und Bürger gegen Umwelt-Ausgleichsmaßnahmen am Ort – so die vergleichsweise einfache Formel.
Darüber hinaus werden wir auch Kontakt zu unseren Bundestags- und Landtagsabgeordneten Kontakt aufnehmen und sie darum bitten, sich für die Belange der Alsbach-Hähnleiner Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass wir in unserem Ort von einer Kombination aus (stärker werdendem) Lärm von der Schiene, (potenziell stärker werdendem) von der Autobahn und insbesondere im Westen von Hähnlein auch von Fluglärm betroffen sind.
Um abschließend noch einmal ganz klar unsere Minimalforderung zu formulieren: Durch den Bau einer Neubaustrecke darf sich die Lärmbelastung für Hähnleinerinnen und Hähnleiner nicht verschärfen.
Herzliche Grüße
Ihr
Sebastian Bubenzer
Bürgermeister