Zweites Expertengespräch rund um unseren Forst
Erstelldatum13.10.2022
Engagierte Diskussion um die Zukunft des Alsbach-Hähnleiner Waldes
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
es war nach dem Auftakt im April unser zweites „Experten-Gespräch zur Zukunft des Alsbach-Hähnleiner Waldes“ – und das Aufeinandertreffen zahlreicher Vertreter/innen unterschiedlicher Interessengruppen hatte es am Donnerstagabend im Bürgerhaus „Sonne“ durchaus in sich.
In dem Perspektiven-Mix aus Hessen Forst, Mitgliedern des Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbeirates, der Fraktionen, dem Jagdpächter, der Bürgerinitiative „Netzwerk Bergsträßer Wald“ und der Verwaltung wurde eines deutlich: Bei den meisten dominiert ein wohlwollender Blick, dass wir in den vergangenen Jahren viel erreicht haben und unsere grundsätzliche Strategie, den Wald sehr zurückhaltend zu bewirtschaften und lediglich moderate Eingriffe vorzunehmen, an zahlreichen Stellen Erfolge zeigt. Für einige ist die Sorge beim Blick auf unseren Wald augenscheinlich allerdings so groß, dass Emotionen in der Debatte eine große Rolle spielen.
Dabei ist mir wichtig, dass wir bei allen unterschiedlichen Sichtweisen in der Sache zusammenbleiben und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren, einen möglichst vitalen Wald an die kommenden Generationen zu übergeben. Mit all seinen wichtigen Funktionen – als Erholungsoase für die Bürgerinnen und Bürger, Lebensraum von Fauna und Flora und auch als Holzlieferant. Denn auch vor Ort nutzen wir Holz – als Baustoff oder um einige unserer Liegenschaften zu beheizen, wie etwa den Bauhof, die Feuerwehr in Hähnlein oder zahlreiche Gebäude rund um unseren Marktplatz.
Am Ende waren es für mich drei „K“s, die in dem Meinungsaustausch eine Rolle spielten: Klimawandel, Kontroverse und Konsens.
Zum Klimawandel:
Dass die letzten Jahre klimatisch eine große Herausforderung für unseren Wald dargestellt haben, ist unumstritten. Um es kurz zu machen: Die Sommer waren einfach zu trocken. Während viele Bäume in der Hanglage des Odenwalds mit Ausnahme einiger Buchen in Kuppenlagen und an Südhängen diesen Trockenstress noch vergleichsweise gut weggesteckt haben, hat der Wald in der Ebene (Hähnlein und Sandwiese) schon seit längerer Zeit zu kämpfen. Auch etwa in der Fasanenlache am „Lernort Natur“.
Der sandige Boden kann hier einfach das Wasser schlechter halten und vor allem die Kiefer dürfte hier keine Zukunft haben. Daraus folgt, dass wir gemeinsam mit unserem Revierförster Dirk Hungenberg bereits seit einiger Zeit auf Verjüngung im Bestand setzen und in der Auswahl der Baumarten deutlich hitze- und trockenresistentere Bäume pflanzen. Insgesamt 15.000 waren es allein im letzten Jahr.
Zur Kontroverse:
Dabei boten diese Pflanzungen gestern Abend auch Anlass zur Diskussion, ebenso wie der meiner Meinung nach schon seit Jahren nicht mehr zutreffende Vorwurf, der Waldbewirtschaftung (Ökonomie) würde der Vorzug vor der Ökologie gegeben werden. Dabei verwies unser Revierförster darauf: Zehn Prozent der Fläche haben wir sogar komplett stillgelegt und nehmen in diesem Bereich überhaupt keine Eingriffe mehr vor. Das ist ein doppelt so großer Anteil wie wir es laut FSC-Zertifizierung müssten – zuletzt mit steigender Tendenz.
Zum anderen haben wir seit der Aufstellung unseres Forsteinrichtungswerkes im Jahr 2016 unser Potenzial, Bäume zu fällen, nur zu zwei Drittel Prozent ausgeschöpft. Und hier mit zuletzt noch einmal rückläufiger Tendenz und natürlich nur vor dem Hintergrund echter Nachhaltigkeit. Also, dass binnen eines Jahres unser Wald deutlich mehr Holz produzieren kann als wir an anderer Stelle entnehmen. Fällungen aufgrund von Verkehrssicherungsmaßnahmen sind dabei genauso eingepreist wie die grundsätzlichen Herausforderungen des Klimawandels.
Zum Konsens:
Nachdem wir im zurückliegenden halben Jahr uns insbesondere um die Habitatbäume und die alten Buchenbestände gekümmert haben, konnten wir vereinbaren, uns als Schwerpunkt in den kommenden Monaten die Kartierung des Alsbach-Hähnleiner Waldes vorzunehmen – im Hinblick auf das Ausmaß der Schädigung durch trockene Sommer und Wasserknappheit. Darüber hinaus mein Vorschlag: Unser Forsteinrichtungswerk aus 2016, das üblicherweise immer auf zehn Jahre festgeschrieben wird, noch von meinem Vorgänger eingebracht und damals fraktionsübergreifend beschlossen wurde, muss nicht bis 2026 warten, um erneuert zu werden. Aktuell planen wir dessen Neuausschreibung für das Jahr 2024. Dem Vorschlag des „Netzwerks Bergsträßer Wald“, einen zusätzlichen Experten in die Diskussion einzubeziehen, werden wir nachkommen, indem die Einholung zusätzlicher Expertise ausgeschrieben wird.
Schließen möchte ich die kleine Zusammenfassung des gestrigen Abends mit zwei Dingen, die mir wichtig sind. Zum einen zitiere ich unseren Revierförster Dirk Hungenberg, der zurecht darauf verwiesen hat: „Dinge, die im Wald passieren, benötigen Zeit.“ Das macht es umso wichtiger, strategisch und nicht mit Aktionismus an die Entwicklung unseres Forstes heranzugehen.
Zum zweiten bleibt es dabei: Unserem Baumbestand geht es im Vergleich mit anderen regional nahen Flächen vergleichsweise gut. Gerade unsere älteren Bürgerinnen und Bürgern versichern mir: So dicht wie heute war der Wald in den letzten Jahrzehnten nicht. Das soll sicher nicht die Herausforderungen kleinreden, die wir alle im Forst haben. Vielleicht aber doch die Sinne dafür schärfen, dass in unserem Wald vieles gut läuft – und wir gemeinsam mit unserem Revierförster Dirk Hungenberg sicher sind, dem Wald zahlreiche gute Impulse geben zu können, um ihn in seinem Potenzial zur Selbsthilfe bestmöglich zu unterstützen.
Herzliche Grüße
Ihr Sebastian Bubenzer
Bürgermeister